Es ist erstaunlich, wie plemplem unsere Journalisten sind. Gestern habe ich mich so sehr über die WELT Kompakt amüsiert, dass ich mir das Springer-Käsblatt sogar mal gekauft habe. Andrea Seibel, immerhin stellvertretende Chefredakteurin der WELT, präsentiert zwar einiges an Erkenntnisgewinnen, die Schlüsse,
die sie daraus zieht, jedoch sind so abwegig, dass man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr rauskommt.
Es ist wahr: Die Linkspartei ist in der Welt. Man kann sie nicht einfach wegreden. Sie ist da und gibt der SPD den Rest. Man müsste sich der Linkspartei also stellen.
Ich wäre der Letzte, der objektive Wahrheiten nicht anerkennen würde. Sie hat Recht!
Man müsste sich der Linkspartei also stellen. Noch wichtiger ist aber, sie zu stellen. Nichts davon tut die SPD, deren ureigenste Aufgabe, allein aus Stolz, Geschichtsbewusstsein und Selbsterhaltungstrieb, dies wäre.
Irgendwie auch richtig, aber die wichtigste Aufgabe der SPD wäre derzeit, sich einer Auseinandersetzung mit sich selbst zu stellen.
Die einst stolze Partei hat ihren inneren Kern verloren. Da ist kein Leuchten mehr, sondern Verwirrung und Verbitterung.
Absolut richtig! Aber...
Wo sind die Stimmen in der Öffentlichkeit, die Lafontaines Behauptungen konterkarieren? Wo sind die wirklich kernigen Sätze aus Strucks, Steinbrücks, Steinmeiers oder Münteferings Munde?
Na, das würde ja gerade noch fehlen, wenn ausgerechnet die größten Idioten der SPD, die diese Krise heraufbeschworen haben und derzeit dummerweise das Gesicht der SPD darstellen, auch noch in der Krise für die SPD sprechen
sollen! Und warum soll die SPD Lafontaines Behauptungen konterkarieren? Sie soll die Behauptungen übernehmen!
Stattdessen glaubt man, sich der Linkspartei gegenüber abwartend und offen verhalten zu müssen, und unterwirft sich ihr doch, schaut man auf jene Erklärung der 60 aus der SPD, die von jedem Linksparteimitglied unterschrieben werden kann.
Das sollte Andrea Seibel zu denken geben. Denken aber scheint sie nicht nötig zu haben
Noch absurder der avisierte Bund in Thüringen, wo die Linkspartei der SPD den Ministerposten „verspricht“, auch wenn die Linken stärkste Partei werden sollten. Das ist ein eindeutiger Bruch demokratischer Kultur.
Ich gebe zu, ich weiß nicht, wovon sie spricht, aber erstens scheint sie einen Minister
präsidentenposten zu meinen und zweitens ist eine demokratisch ausgehandelte Postenbesetzung bestimmt kein Bruch mit demokratischer Kultur!
Und nun auch das: Erstmals hat in saarländischen Umfragen die Linkspartei die SPD überholt. Was Lafontaine wohl von ihr übrig lässt?
Auch richtig. Und Andrea Seibel? Warum bleibt diese Frage in einem politischen Kommentar offen?
Es ist daher verwunderlich, mit welch messianischer Verve man nun der Verkündung des Kanzlerkandidaten harrt. Kein anderer als Frank-Walter Steinmeier ist im Gespräch. Wird seine Nominierung allein die Kräfte bündeln und die Krise der Sozialdemokratie lösen? Ob er, der zumindest stimmlich versucht, seinen Mentor Schröder zu imitieren, der Partei neues Profil gibt, ist mehr als fraglich. Deutschlands älteste Partei sieht alt aus.
Das muss doch wohl eine rhetorische Frage sein, oder? Wie soll ausgerechnet der neoliberale Steinmeier, der selbst in einem Ministerposten ohne jedes Charisma auskommt, da irgend etwas bewegen können, schon gar in eine sozialdemokratische Richtung?
Bei diesem geistigen Dünnpfiff ist es verwunderlich, dass das Springer-Blatt WELT sein Altpapier überhaupt noch aus einem anderen Grunde absetzen kann als dem, die Leser zu amüsieren.