Anlässlich des AZ-Artikels über den "
Konkurrenzkampf um Kita-Personal", möchte ich eine grundsätzliche Erwägung über Kinderbetreuung festhalten:
Das grundlegende Missverständnis hinter dem Ausbau der Kinderbetreuung besteht
1. aus der Annahme, dass es sich um eine Black Box handele, obwohl "die Kinderbetreuung" Aufgaben umfasst, die von Menschen erbracht werden müssen, welche oft ähnliche familiäre Bedürfnisse haben wie die Menschen, in deren Namen die Kinderbetreuung aufgezogen wird ("Schwarzer Peter"), und
2. aus dem Fehlschluss, dass sich mit einer noch so perfekten Kinderbetreuung die Geburtenrate steigern lasse (und das auch noch - und dadurch leider nach asozialen Maßstäben - primär bei hochqualifizierten Frauen), obwohl man - und gerade bei hochqualifizierten - Frauen erwarten würde, dass sie, wenn sie davon ausgehen können, dass andere für die Kinderbetreuung sorgen, allen anderen ohne schlechtes Gewissen gegenüber der Gesellschaft auch gleich das Kinderkriegen überlassen können, was wiederum eine Black-Box-Sichtweise ist, da dies keineswegs zutrifft: Entweder haben diese anderen Menschen Kinder ihrer Mitmenschen zu betreuen und stecken damit in den Sachzwängen ihres schlecht bezahlten Jobs oder sie sind mit ihrer ErzieherInnenqualifikation (langzeit-)arbeitslos und können sich mangels Einkommen gar nicht mehr selbstverwirklichen,
weder mit Kind
noch mit Karriere.
Das Missverständnis zur Kinderbetreuung ist leicht zu dekonstruieren, einfach anhand des Mantras der Kinderbetreuungsausbauer: "
Kinderbetreuung erleichtert die Vereinbarkeit von Kind und Karriere". So sehr dieses Mantra nämlich zutreffen mag für die Frauen, die ihre Kinder bei der Kinderbetreuung abgeben, so wenig trifft es zu für die Menschen, die die Aufgaben der Kinderbetreuung übernehmen (müssen). Und es trifft nicht zu für die Väter dieser Kinder, weil es überhaupt keine unmittelbare Auswirkung auf sie hat. So läuft es für die Mütter betreuter Kinder und für die betreuenden Frauen auf Gleich
verpflichtung unter dem Arbeitsregime einer patriarchalisch orientierten Gesellschaft hinaus statt auf Gleich
berechtigung - und das auch noch auf den zwei Ebenen der künstlich erhöhten Karrieren der einen und der schlecht bezahlten Dienstleistung der anderen.
Besser wäre es, den Arbeitsbegriff selbst zu emanzipieren:
Für die Elternschaft darf man sich qualifiziert fühlen und kann sich zusätzlich qualifizieren lassen. Die Begriffe "Hausarbeit" und "Erziehungsarbeit" klingen altbacken und sind teilweise durch frauenfeindliche Klischees belastet ; bezeichnet man diese Tätigkeiten mit dem Fachbegriff "Reproduktionsarbeit", klingt es gleich viel professioneller und erhält auch für Männer einen interessanten Klang.
Man sollte sich bewusst machen, dass eine umfassende Kinderbetreuung die Wahlmöglichkeit für die Kindererziehung im eigenen Umfeld einschränkt. Dass Kinderbetreuungsplätze allenthalben verfügbar sind, wird zum Argument gegen die unterstellte "Arbeitsverweigerung" derjenigen, die statt einer Erwerbsarbeit lieber der Reproduktionsarbeit nachgehen wollen. Dies betrifft vor allem Alleinerziehende aber auch Verheiratete Männer und Frauen, deren PartnerInnen überwiegend oder allein das Familieneinkommen bestreiten und dann ihren Job verlieren und langzeitarbeitslos werden, sodass auf einmal auch sie vom Job-Center zu Bemühungen um eine Beendigung der "Hilfsbedürftigkeit" der "Bedarfsgemeinschaft" verpflichtet werden!